Don Carlo
Oper in vier Akten (1867/1884)
Musik von Giuseppe Verdi
Text von François Joseph Pierre Méry und Camille Du Locle nach Friedrich Schiller
Medien
ERSTER AKT
Don Carlos erinnert sich an glückliche Tage in Frankreich. Hier hatte er die französische Prinzessin Elisabeth kennen und lieben gelernt, die seine Frau werden sollte. Aus politischen Gründen aber wurde die Ehe zwischen Elisabeth von Valois und dem Vater von Carlos, dem spanischen König Philipp II. geschlossen. Ein Mönch, in dem Carlos seinen Großvater Karl V. zu erkennen glaubt, verspricht ihm Trost im Jenseits.
Marquis von Posa, ein Jugendfreund Carlos‘, fordert ihn auf, sich für die unterdrückten Niederlande einzusetzen. Carlos, ganz vom Gefühl seiner unglücklichen Liebe erfüllt, zeigt jedoch kein Interesse. Er gesteht Posa, dass er seine Stiefmutter liebe. Posa ist zunächst entsetzt und rät Carlos, gerade wegen seiner unerfüllten Liebe den Hof zu verlassen und das flandrische Heer anzuführen. Beide schwören, gemeinsam für die Freiheit zu kämpfen.
Prinzessin Eboli singt die Ballade einer verschleierten Frau, um die der maurische König wirbt.
Posa sucht Elisabeth auf und übergibt ihr einen Brief, der angeblich von ihrer Mutter stammt. Dabei überreicht er ihr unauffällig ein Schreiben von Carlos. Eboli missversteht die Äußerungen Posas, und denkt, dass Carlos in sie verliebt sei.
Bei ihrem Wiedersehen verspricht Elisabeth Carlos, ihn in seinen politischen Plänen zu unterstützen. Selbstvergessen gibt sich Carlos seinen Gefühlen hin.
Philipp trifft seine Gattin ohne Begleitung an. Er schickt die Gräfin von Aremberg wegen Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht zurück nach Frankreich. Elisabeths Trauer darüber nimmt er nicht ernst.
Philipp nimmt den Marquis von Posa zur Seite. Dieser ist dem König aufgefallen, weil er als Einziger nicht versucht hat, sich bei ihm einzuschmeicheln. Posa wagt ein offenes Wort und bittet um Frieden und Freiheit für Flandern. Auch wenn Philipp das als Schwärmerei zurückweist, ist er berührt von Posas Aufrichtigkeit. Philipp verspricht Posa, ihn nicht zur Rechenschaft zu ziehen, warnt ihn aber vor dem Großinquisitor. Er zieht ihn ins Vertrauen und trägt ihm auf, Elisabeth und Carlos zu bespitzeln, die er einer geheimen Leidenschaft verdächtigt.
ZWEITER AKT
Carlos erhält eine anonyme Einladung zu einem Rendezvous. Zu spät erkennt er, dass nicht Elisabeth, sondern Prinzessin Eboli am Treffpunkt erschienen ist, die begreift, dass er nicht sie, sondern die Königin liebt. Posa tritt dazwischen und versucht, die Situation als Missverständnis herunterzuspielen. Doch Eboli lässt sich nicht beruhigen und wird dadurch zu einer Gefahr für Carlos.
Posa rät Carlos, ihm alle Dokumente auszuhändigen, die auf seine Beteiligung an der geplanten Befreiung Flanderns hinweisen. Carlos zögert, weil er von der Freundschaft zwischen Posa und seinem Vater erfahren hat. Schließlich fasst er aber doch erneut Vertrauen, und sie schwören einander Treue.
Während des Autodafés, einer öffentlichen Hinrichtung von Ketzern, bittet Carlos zusammen mit sechs Deputierten aus Flandern um Frieden und Freiheit für die Provinz. Als Philipp die Bitte seines Sohnes ablehnt, ihm Flandern zu überlassen, bedroht Carlos seinen Vater. Posa ist der Einzige, der Philipp zur Hilfe kommt, und wird dafür von diesem zum Herzog ernannt. Carlos wird inhaftiert und das Autodafé beginnt.
DRITTER AKT
Philipp quält der Gedanke, dass Elisabeth ihn nie geliebt hat. Unsicher, wie er mit Carlos verfahren soll, zieht er den Großinquisitor zu Rate. Dieser sichert ihm Absolution für den Mord an seinem Sohn zu. Er fordert aber gleichzeitig, Posa der Inquisition zu übergeben. Vergeblich versucht Philipp dagegen aufzubegehren.
Elisabeth beklagt sich bei Philipp, dass ihre Schmuckschatulle gestohlen worden sei. Philipp, der die Schatulle hat, bezichtigt sie des Ehebruchs, weil er ein Bild Carlos‘ darin findet. Während Eboli ihren Fehler erkennt, wird Posa klar, dass er nun handeln muss.
Als Elisabeth mit Prinzessin Eboli alleine ist, gesteht die Prinzessin, aus Eifersucht die Schatulle gestohlen zu haben. Mehr noch: Sie offenbart, die Geliebte des Königs zu sein. Elisabeth stellt sie vor die Wahl zwischen Exil und Kloster. Eboli bereut ihre Tat.
Posa sucht Carlos im Gefängnis auf. Als er berichtet, dass die gefährlichen Papiere bei ihm gefunden worden seien und er nun kurz vor der Inhaftierung stehe, erkennt Carlos die guten Absichten des Freundes. Beide schwören auf ihr politisches Ideal: die Befreiung Flanderns. Es fällt ein Schuss und Posa ist tödlich verwundet. Sterbend berichtet er, dass Elisabeth auf Carlos warte.
Philipp will seinem Sohn vergeben, doch Carlos weist ihn zurück. Philipp erkennt seine Schuld am Tod Posas. Das Volk, von Eboli aufgewiegelt, will Carlos befreien. Der Tumult löst sich auf, als der Großinquisitor erscheint und dem Volk befiehlt, vor Gott und dem König niederzuknien.
VIERTER AKT
Während Elisabeth für ihren inneren Frieden betet, kommt Carlos zu ihr. Beiden ist klar, dass die Zeit für eine mögliche Liebe abgelaufen ist. Carlos will nach Flandern gehen und wird in seinen Plänen von Elisabeth bestärkt. Sie verabschiedet sich von ihm.
Philipp erscheint in Begleitung des Großinquisitors. Während Philipp Elisabeth zur Rechenschaft zieht, überlässt er seinen Sohn der Gewalt des Großinquisitors.
Protestgeheul und Fragen nach der Menschlichkeit
[...] Trotzig verweigern die Nackten die heilige Henkersmahlzeit der Kirche. Es ist weniger die grausige Genauigkeit, mit der Regisseur Philipp Himmelmann die öffentliche Hinrichtung durch Abfackeln zeigt, sondern vielmehr die Entschlossenheit, mit der er alle Emotionen aus der Oper treibt. Tafeln und Töten funktionieren bei ihm mit der Präzision einer Maschine. An den Füßen werden die nackten Leiber hochgezogen, während Verdi das Emporsteigen der Seelen besingt.
Himmelmann gelingt da ein Zynismus, der seinesgleichen sucht. Keine Frage: Diese zentrale Szene im »Don Carlo« ist mit Abstand das Mutigste, was man zurzeit auf Opernbühnen ertragen muss. Hier stellt Himmelmann die große Frage nach der Menschlichkeit. Und deshalb ist sein »Don Carlo« im höchsten Grad politisches Theater. [...]Clemens Prokop, FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND
Vertonte Tagesschau
Bewegendes gibt's er derzeit an der Berliner Staatsoper unter den Linden zu erleben. Giuseppe Verdis »Don Carlo« steht seit gut einer Woche auf dem Spielplan und präsentiert sich - in Berlin ja eher selten zu finden - in einer zutiefst emotionalen und aufwühlenden Inszenierung, für die Philipp Himmelmann verantwortlich zeichnet. Viel Kritisches hörte man nach der Premiere von Pressekollegen und Besuchern; doch stellt sich nach dem Besuch der nunmehr dritten Aufführung am vergangenen Sonntag die Frage, wie ernst man Premierenbewertungen wirklich nehmen darf, geht es doch offenkundig manches mal mehr um Publikumspräsentation und mediale Selbstinszenierung als um den vorbehaltlosen Willen, sich mit dem inszenatorischen Ansatz auseinander setzen zu wollen. Denn Himmelmanns Ansatz ist klar verständlich, wenig provozierend und doch alles andere als oberflächlich.
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Philipp Himmelmann gelingt mit bescheidenem Aufwand eine wahrlich fesselnde szenische Umsetzung des Dramas. Zwingend seine Figurenführung, überzeugend seine Bildsprache – dabei lässt er den Interpreten Raum für individuelle Rollengestaltungen und spart mit flachen, plakativen Gesten. Ein wahrlich großer Moment: die Ketzerverbrennung am Ende des zweiten Aktes, die eben nicht als oberflächliche Provokation daherkommt, sondern dramaturgisch gut vorbereitet ist und in ihrer Konsequenz, auch in dieser darstellerischen Intensität, unumgänglich scheint. [...]
So siegte am Ende die Begeisterung im Publikum über die nörgelnden Selbstdarsteller und Freunde traditionell-verkitschter Verdi-Interpretationen, war der Beifall für Sänger und Orchester begründeter Maßen groß. Aufgewühlt und bewegt diskutierten Besuchergruppen noch lange nach Aufführungsende vor dem Knobelsdorff-Bau über das gerade erlebte. Bleibt also zu hoffen, dass Himmelmanns »Don Carlo«den Weg ins Repertoire der Staatsoper finden wird und sich so auch zukünftig Besucher an seinem zeitlosen und überaus emotionalem Musiktheater reiben können.Frank Bayer, KLASSIK.COM