Vor genau einem Jahrhundert wurde er geboren, die musikalischen Geschicke der Staatsoper Unter den Linden und der Staatskapelle Berlin lagen mehr als 25 Jahre in seinen Händen. Otmar Suitner war eine zentrale Dirigentengestalt des 20. Jahrhunderts, der für unser Haus Entscheidendes geleistet hat, in mitunter schwierigen Zeiten. Als es galt, die Staatsoper nach dem großen personellen Aderlass, der durch den Bau der Berliner Mauer bedingt war, wieder zu einer Kulturinstitution von internationalem Rang zu formen, war er eine treibende Kraft dieser intensiven Aufbauarbeit. Der gebürtige Österreicher hatte zuvor schon die Staatskapelle Dresden geleitet, 1964 erhielt er den Ruf nach Berlin, wo er trotz aller Schwierigkeiten eine künstlerisch außerordentlich erfolgreiche Zeit erlebte und mitgestaltete. Der Oper wie der Sinfonik hat er dabei gleichermaßen Aufmerksamkeit geschenkt, im Haus Unter den Linden wie auf zahlreichen Gastspielreisen, die ihn gemeinsam mit dem Orchester und dem Opernensemble bis nach Japan führten. Sein Repertoire war breit gefächert, von der Klassik bis zur zeitgenössischen Musik reichend, wobei Mozart, Wagner und Strauss im Zentrum standen, darüber hinaus aber auch die Musik der Wiener Schule sowie von Paul Dessau – mehrere von dessen Werken wurden durch Otmar Suitner uraufgeführt.

Insgesamt 29 Opernpremieren hat Otmar Suitner zwischen 1965 und 1989 dirigiert, dazu Hunderte von Konzerten. Gesamtaufnahmen von Rossinis »Der Barbier von Sevilla«, Mozarts »Così fan tutte«, Schuberts »Alfonso und Estrella« und Pfitzners »Palestrina« – einer Oper, der sein besonderes Engagement galt – gelten bis heute als außerordentlich gelungen, zudem auch die Zyklen der Sinfonien von Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms und Dvořák sowie die Beschäftigung mit den herausfordernden sinfonischen Werken Bruckners und Mahlers im Konzert wie im Aufnahmestudio. Nie drängt sich dabei die Person des Dirigenten vor die Musik, diese selbst gewinnt Raum zur Entfaltung, frei und organisch. Die Spielkultur »seines« Orchesters, der Staatskapelle Berlin, hat Otmar Suitner wesentlich mit- und weiterentwickelt, so dass sie auch in der Zeit einer vertieften deutschen Teilung als ein Klangkörper von höchster Qualität wahrgenommen wurde. Die Staatskapelle Berlin und die Staatsoper Unter den Linden haben ihm enorm viel zu verdanken, als Künstler wie als Mensch. Sein 100. Geburtstag ist Anlass, sich das ins Gedächtnis zu rufen.