Medea

MédéeOpéra in drei Akten (1797)

Musik von Luigi Cherubini
Text von François-Benoît Hoffman

Ein uralter Mythos und doch von spürbarer Aktualität: Medea, aus der Peripherie der bekannten Welt stammend und sichtlich eine Fremde im zivilisierten Land, stört Ruhe und Ordnung, wird zum hasserfüllten, Tod und Zerstörung bringenden Racheengel. Seit den antiken Tragödiendichtern ist der Stoff um Medea, Jason und das Goldene Vlies vielfach auf die Theater- und Opernbühne gekommen, so auch um 1800 in Paris.

Der gebürtige Florentiner Luigi Cherubini war in den 1780er Jahren in die französische Metropole gekommen, um dort als Opernkomponist zu reüssieren. Mit seiner »Medée« von 1797 gelang ihm ein respektabler Erfolg, der über das folgende Jahrhundert anhalten sollte. Durch die dramatisch intensivierte gesangliche wie darstellerische Leistung von Maria Callas erfuhr das Werk in den 1950er Jahren neue Aufmerksamkeit. Inspiriert von den tragischen Antikenopern Glucks schuf der Wahlpariser Cherubini, der sich zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Musik seiner Zeit entwickelte, ein Werk von tiefgründigem Ernst und einer monumentalen, eindrucksvollen Tonsprache, mit großen Szenen für die Protagonistin, kompositorisch hervorragend gearbeiteten Chor- und Ensemblesätzen sowie atmosphärisch dichten Instrumentaleinleitungen zu jedem der drei Akte. Die Titelheldin Medea aber ist und bleibt im Zentrum – wenn sie einmal die Bühne betreten hat, zieht sie Alle und Alles unweigerlich in ihren Bann.

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Vorgeschichte
Jason war mit den Argonauten ‒ seinen nach der Argo, ihrem Schiff, benannten Kameraden ‒ ausgezogen, um in Kolchis am Schwarzen Meer das Goldene Vlies zu erbeuten. Nur im (unwahrscheinlichsten) Falle von Jasons Erfolg hatte sein Stiefonkel Pelias sich bereit erklärt, den ihm rechtmäßig zustehenden Thron von Jolkos freizugeben. In Kolchis verliebten sich Jason und die Königstochter Médée ineinander. Mit Médées Hilfe gelang es Jason, das Vlies aus dem Besitz ihres Vaters zu entwenden. Die anschließende gemeinsame Flucht der beiden wäre gescheitert, hätte Médée ihren jüngeren Bruder nicht ermordet und seine Leiche zerstückt, um ihre Verfolger zu zwingen, die ins Meer verstreuten Leichenteile einzusammeln, und ihnen so entkommen zu können. Zurück in Griechenland erfährt Jason, dass Pelias seinen Vater mit der Lüge, die Argo wäre untergegangen, in den Tod getrieben hat. Um Pelias zu strafen, verführt Médée seine Töchter dazu, ihn zu töten und zu kochen, in der betrogenen Hoffnung, ihn dadurch magisch zu verjüngen. Verfolgt von Akastos, dem Sohn des Pelias, flieht das heimatlose Paar, das mittlerweile zwei Söhne hat, durch Griechenland. Auf der Flucht werden die Eltern getrennt: Der Vater erreicht mit den beiden Söhnen Korinth, wo sich ihm die Aussicht bietet, in das Königshaus einzuheiraten.

Erster Akt
Dircé, die Königstochter von Korinth, befürchtet, dass Jason, ihr künftiger Gatte, sie eines Tages genauso verlassen könnte wie seine erste Ehefrau Médée. Dircés Frauen versuchen, die junge Braut aufzuheitern. Ihr Vater Créon versichert Jason, seine Söhne zu schützen und diese keineswegs an Akastos auszuliefern, der ‒ nach dem Verschwinden Médées ‒ den Mord an Pelias an ihnen rächen will. Jason lässt seine Argonauten aufmarschieren und präsentiert das von Créon ausbedungene Brautgeschenk: das Goldene Vlies. Dircé unterbricht die Zeremonie aus Angst vor dem Unrecht, das Médée angetan wird, und ihrer möglichen Rache. Um sie zu beruhigen, gelobt Jason ewige Treue. Während Créon den Segen der Götter auf das Paar herabbeschwört, erscheint eine Fremde: Es ist Médée. Ruhig und entschlossen erklärt sie, die ehebrecherische Heirat Jasons zu verhindern. Erst als Créon sie mit Schmähungen überhäuft und droht, sie an Akastos auszuliefern, warnt Médée davor, sie zu provozieren. Créon prophezeit ihr Höllenstrafen, zieht sich aber zunächst zurück.

Médée erinnert Jason daran, dass er seine Siege denselben Verbrechen und Opfern verdanke, für die sie nun geächtet werden soll. Vergebens beschwört sie ihn, die »Mutter seiner Söhne« nicht zu verstoßen. Als er jede Mitverantwortung für sie und ihre Taten abstreitet, fordert sie ihn auf, zu wählen zwischen ihrer Liebe oder ihrer Feindschaft. Der Streit eskaliert. Beide steigern sich in wechselseitige Morddrohungen hinein. In kurzen Atempausen ergreift sie die Erinnerung an all das Blut, das um des Goldenen Vlieses willen verschüttet wurde ‒ und noch werden wird, wie nur Médée es ahnt.

Zweiter Akt
Médée ist außer sich: Ihr wurde der Kontakt zu ihren Söhnen verboten. Créon erscheint mit seinen Soldaten: Der Fürbitte Jasons entsprechend biete er ihr die Flucht und ihren Kindern seinen Schutz an. Médée fleht demütig um Duldung in Korinth, wird aber abgewiesen. Als sie Zeus zum Zeugen des Unrechts anruft, das ihr geschieht, mahnt Médées Vertraute Néris zur Vorsicht. Médée erklärt nun, den Befehl des Königs zu akzeptieren. Nur noch einen einzigen Tag erbäte sie Aufschub. Das Misstrauen Créons zerstreut sie mit dem Hinweis auf ihre völlige Hilf- und Rechtlosigkeit. Nach Créons Abgang schwört Néris ihrer Herrin Treue bis in den Tod, während Médée in finsteres Brüten versinkt. Dabei verfällt sie auf den sie selbst erschreckenden Gedanken, den Verrat Jasons nicht nur an seiner Braut, sondern auch an seinen Söhnen zu strafen.

Jason erscheint, um ihr in seiner Großmut ‒ wie er es nennt ‒ Unterstützung im Exil zuzusagen. Médée erklärt, ihr Widerstand sei gebrochen. Ihre Bitte, die Kinder mögen sie ins Exil begleiten, lehnt Jason aus seiner großen Liebe zu den beiden ab. Médées Klage tröstet Jason, in dem er ihr bewilligt, bis zu ihrer Abreise mit den Kindern Kontakt haben zu dürfen. Médée ist insgeheim entschlossen, ihn für ihre »falschen Tränen« teuer bezahlen zu lassen.

Jason eilt zu einer Zeremonie, die den Segen der Götter für seine Ehe mit Dircé erflehen soll. Médée beauftragt Néris, ihre beiden Söhne zu Dircé zu begleiten. Diese sollen ihr Médées ehemaliges Brautkleid und ihre Brautkrone als Geschenke überreichen ‒ vergiftete Gaben, die der neuen Braut den Tod bringen sollen. Die Hochzeitsprozession betritt den Tempel. Die festlichen Gesänge werden von Médée bitter und zynisch kommentiert. Sie ruft ebenfalls den Hochzeitsgott Hymen an, aber als Rächer ihrer verratenen Ehe.

Dritter Akt
Néris hat sich mit den Kindern und den todbringenden Geschenken auf den Weg zu Dircé gemacht. Ein Gewitter entlädt sich. Médée hat sich mit einem Dolch bewaffnet und ermahnt sich zur Härte. Doch als ihre Kinder zurückkehren, vermag sie es nicht, ihre Mordabsicht auszuführen: Der Dolch entfällt ihren Händen. Der Zorn auf Jason und die Liebe zu den Kindern zerreißen sie. Sie befiehlt Néris, ihre Kinder vor ihr in Sicherheit zu bringen. Kaum hat sich Néris mit ihnen zurückgezogen, bereut Médée ihren Verzicht auf diese äußerste Bestrafung Jasons schon wieder. Da dringen Entsetzensschreie und Jasons Klage über den qualvollen Tod Dircés, die Créon mit in den Tod gerissen hat, an ihr Ohr. Médée hebt den ihr entglittenen Dolch wieder auf und folgt Néris und ihren Kindern. Jason und das Volk wollen Médée strafen. Diese verkündet Jason den Mord an den Kindern und stürzt sich mit den Worten, in der Hölle werde sie ihn erwarten, in die Flammen, die Créons Palast in Brand gesetzt haben.

»Die Yoncheva liebt, betrügt, und verführt, ist verzweifelt und wütet in ihren Arien und Duetten. Man kann sich nicht satthören an ihr.«

Berliner Morgenpost, 9. Oktober 2018

»Die bulgarische Starsopranistin [Sonya Yoncheva] mit dem dunklen Timbre rockt die Show, als violett gewandeter finsterer Racheengel girrt sie und flirrt sie, becirct und beklagt, jammert und wütet. Sie intrigiert und verliert so kraft- und seelenvoll, so musikalisch und stimmlich überragend, dass sie alles und jeden auf der Bühne an die rostig kahlen Wände singt. Yoncheva kriecht und kauert, flieht und schreitet, streichelt und mordet.«

rbb | 24, 8. Oktober 2018

»Großartig begleitet von der Staatskapelle, die den perfekten Cherubini-Ton gefunden hat, baden Yoncheva und das Ensemble zum Schluss im Jubel des Publikums.«

rbb | 24, 8. Oktober 2018

»Wenn sie [Marina Prudenskaya] als Medeas Sklavin Néris das Schicksal ihrer Herrin beklagt, ist das nicht nur stilistisch perfekt paraphrasiert, sondert dann berührt sie auch, weil sich ihre Seufzer wirklich aus einem mitfühlenden Herzen entringen.«

Der Tagesspiegel, 9. Oktober 2018

»Martin Zehetgruber hat ein drehbares Zolllager für Kunstwerke aus Wellblech und Beton gebaut- eine doppelte Anspielung auf das Schicksal Cherubinis und den Zynismus des Kapitals. Andrea Breth beginnt darin ihre unerbittlich genaue Analyse von Personen und Situationen.«

taz, 9. Oktober 2018

»Daniel Barenboim arbeitet den Detailreichtum der Partitur mit einer großen Meisterschaft heraus, die Staatskapelle spielt betörend schön. Nobel ist dieser Klang, veredelt mit einem irisierenden Perlmuttschimmer.«

Der Tagesspiegel, 9. Oktober 2018

»Daniel Barenboim an der Spitze seiner ihm blendend folgenden, mit vielen brillanten Soli aufwartenden Staatskapelle Berlin hob in seiner Interpretation vor allem die klassizistischen Züge des Werks hervor – ohne dabei die dramatischen Ausbrüche der Musik in den Hintergrund zu drängen.«

Die Presse, 10. Oktober 2018

»Die klein besetzte Staatskapelle zeichnet im vibratoarmen, trockenen Klang der Streicher und in farbenreichen Holzbläserschattierungen ein eindringliches Seelengemälde des inneren Schlachtfeldes der Medea: die Atemlosigkeit, das Weinen, der Klang vollständiger Verlassenheit- all das wird hörbar in einer von Vorhalten, Seufzern und Pausen durchsetzten Musik. Daniel Barenboim führt die Musiker mit größter Behutsamkeit durch die Vielgestaltigkeit dieser Partitur, die musikalische Dramatik mit symphonischen Mitteln schafft.«

Süddeutsche Zeitung, 10. Oktober 2018