Kein Geringerer als Wilhelm Furtwängler war es, der dem damals elfjährigen Daniel Barenboim bescheinigte, ein »Phänomen« zu sein. Im Sommer 1954 fand diese Begegnung statt, im Umkreis der Salzburger Festspiele. Nicht allein als Zeichen höchster Anerkennung eines in der Tat staunenswerten musikalischen Talents war dieses Wort zu verstehen, es öffnete auch Wege zu einer einzigartigen Karriere. Denn wer möchte es bestreiten, dass Daniel Barenboim nach rund sieben Jahrzehnten auf den Podien der Welt – erst als Pianist, dann als Dirigent, oft auch in Personalunion – alles erreicht hat, was überhaupt zu erreichen ist, dass er – häufig über lange Zeit – mit den bedeutendsten Orchestern und Künstler:innen der klassischen Musik erfolgreich zusammengearbeitet hat, dass er bis heute zu den zentralen Persönlichkeiten des internationalen Kulturlebens zählt, dass nicht zuletzt auch seine Stimme als Humanist und Weltbürger wahrgenommen wird.
Über mehr als drei Jahrzehnte stand Daniel Barenboim als Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden an der Spitze dieser traditionsreichen Institution mit seinem exzellenten, weltweit berühmten Orchester, der Staatskapelle Berlin. In Oper wie Konzert, dazu auf zahlreichen Gastspielreisen hat er Maßstäbe gesetzt und das internationale Renommee der Staatsoper wie der Staatskapelle weiter befördert. Diese „Ära Barenboim“ soll hier in wesentlichen Punkten dargestellt sein, mit Texten und Bildern, Daten und Fakten, die ein Eindruck von den Quantitäten wie von den Qualitäten dieser singulären Zusammenarbeit in den vergangenen gut 30 Jahren vermitteln mögen. Neben Daniel Barenboims Wirken als Opern- und Konzertdirigent sowie seine Tätigkeit als Pianist, die vielfach mit der Staatskapelle verbunden ist, werden auch Schlaglichter auf die von ihm initiierten und künstlerisch getragenen FESTTAGE sowie auf das Format STAATSOPER FÜR ALLE geworfen, ebenso auf die stetig angewachsene mediale Präsenz sowie die großen Zyklen in Oper und Musiktheater, die er gemeinsam mit dem Orchester und dem gesamten Haus verwirklicht hat.

In der Geschichte musikalischer Institutionen gibt es immer wieder Verbindungen, die besonders eng und produktiv sind. Die Staatsoper Unter den Linden und die Staatskapelle Berlin sind da keine Ausnahmen – die Anziehungs- und Strahlkraft von Haus und Orchester scheint ausgesprochen groß zu sein. Eine ganze Reihe von Dirigenten ist über mehrere Jahrzehnte hinweg hier tätig gewesen, angefangen vom ersten »General-Music-Director« Gaspare Spontini (1820 bis 1842) über den Mitbegründer und langjährigen Leiter der Hofkapellen-Sinfoniekonzerte Wilhelm Taubert (1842 bis 1883), den dirigierenden Komponisten und komponierenden Dirigenten Richard Strauss (1898 bis 1920, danach des Öfteren noch als Gast), den musikalischen Alleskönner Leo Blech, der wahrscheinlich so viel wie kein Anderer am Haus dirigiert hat (1906 bis 1937, mit kurzer Unterbrechung), sowie Otmar Suitner, dem das Verdienst zukommt, während der Zeit der deutschen Teilung unter nicht einfachen Bedingungen die hochstehende künstlerische Qualität von Staatsoper und Staatskapelle aufrechterhalten und fortentwickelt zu haben (1964 bis 1990).