»Die Entwicklung der Hofmusik von der kurfürstlichen Kapelle von Brandenburg zum Hoforchester des ersten Königs in Preußen«

SYMPOSION VOM 16. – 18. OKTOBER 2015 IN BERLIN

Pressestimmen

H / SOZ / KULT

Golden Pages

»SPURENSUCHE«
Erste Tagungsdokumentation »450 Jahre Staatskapelle Berlin«
Die Dokumentation dieser Konferenz ist auf perspektivia.net online frei zugänglich.

Ein erster Rückblick und ein zweiter Ausblick
Im Herbst 2015, im 445. Jahr des Bestehens der Staatskapelle Berlin — legt man einmal das Datum der Ersterwähnung der kurbrandenburgischen Hofkapelle im Jahr 1570 zugrunde — wurde der Auftakt gegeben, im Herbst 2016 folgt die Fortsetzung: Mit Blick auf das 2020 anstehende 450-jährige Jubiläum widmet sich unser Orchester seiner Geschichte. Nachdem zunächst die Ursprünge und die ersten, quellenmäßig noch nicht sonderlich gut belegten Phasen der Kapellhistorie in Augenschein genommen waren (die Kurfürstenzeit sowie das Musikleben unter dem ersten preußischen König Friedrich und seiner kunstsinnigen Gemahlin Sophie Charlotte am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts), rücken nun geschichtliche Entwicklungszüge in den Fokus, die insgesamt vertrauter und spürbar »näher« erscheinen, sowohl chronologisch als auch mental. War die Berliner Hofkapelle in ihren Anfängen noch ein vergleichsweise bescheidenes gemischtes Ensemble aus Sängern und Instrumentalisten, so verändert sich unter der Regentschaft König Friedrichs II.( »des Großen«) die Struktur und Besetzungsstärke, aber auch die Funktion des Klangkörpers klar und deutlich: Die Königlich Preußische Kapelle wird peu à peu zu einem »richtigen« Orchester.

Ein wesentlicher Punkt war hierbei der Bau der Hofoper Unter den Linden, der die Kapelle erstmals in ihrer Geschichte an ein Haus — und zumal eines von merklich repräsentativem Charakter — band. Wenngleich auch seit der Eröffnung des Gebäudes 1742 das Musizieren für Oper und Ballett zu einer zentralen Aufgabe wurde, so blieben doch weitere Aktivitäten essentiell, bei Hofe wie in den aufblühenden Residenzstädten Berlin und Potsdam. Kirchen-, Tafel- und Jagdmusik, die selbst bei dem bekanntlich nur wenig musikaffinen Vater Friedrichs II., dem »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I. (der 1713 die Hofkapelle weitgehend aufgelöst und damit in eine tiefe Krise gestürzt hatte) nicht zum Erliegen gekommen war, gehörte dabei ebenso zu den Verpflichtungen der angestellten Musici wie das Spielen bei offiziellen Ereignissen den Staat und den Thron betreffend. Und wenn man sich das vielfältige bürgerliche Musikleben an Spree und Havel im mittleren und späten 18. Jahrhundert vor Augen führt, wird man auch hier Mitglieder der Königlich Preußischen Hofkapelle tätig finden.

Eine ganze Reihe von prominenten Künstlern waren hier am Werk: die Brüder Carl Heinrich und Johann Gottlieb Graun (der erste als Kapellmeister Friedrichs des Großen und als Opernkomponist eine europäische Berühmtheit, der zweite als Konzertmeister der Hofkapelle in verantwortungsvollen Positionen amtierend), der Komponist, Flötenvirtuose und Musiktheoretiker Johann Joachim Quantz (zudem der einflussreiche Flötenlehrer des Monarchen), Carl Philipp Emanuel Bach, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu »dem« deutschen Komponisten aufsteigen sollte, einstweilen aber noch als Hofcembalist diente und seine Meriten erwarb, sowie der aus Böhmen stammende Franz (František) Benda, der gemeinsam mit seinen Brüdern Johann, Georg und Joseph für die Qualität der Berliner Hofkapelle sorgte und zudem dem König als musikalischer Berater diente. Das Renommee des Orchesters, dessen Fundamente bereits während der Kronprinzenzeit Friedrichs in Ruppin und Rheinsberg gelegt worden waren, begann immer weiter auszustrahlen — nach einer nur allzu spürbaren Krisenzeit unter dem »Soldatenkönig« folgte eine ebenso deutliche Blütephase unter seinem Sohn.

Der Wandel der Zeiten, die Strukturen und Prozesse, die den Entwicklungsgang der Berliner Hofkapelle vom frühen 18. bis zum frühen 19. Jahrhundert bestimmten, als der preußische Staat unter dem Ansturm Napoleons zwischenzeitlich zusammenbrach, um sich mühsam neu zu ordnen (und sich auch zu grundlegenden Reformen imstande zeigte), stehen im Zentrum des zweiten Symposions zur Geschichte der Staatskapelle. Wie bereits 2015, als Historiker, Musik- und Kulturwissenschaftler sowie Künstler zusammenkamen, um verschiedene Aspekte des Themas zu beleuchten — etwa die Zahl und die Aufgabenbereiche der engagierten Musiker, die Rolle der Kapellmeister, die innerdeutsche bzw. internationale Reputation, das Repräsentationsstreben der Herrschenden mittels der Institution Hofkapelle — werden auch in diesem Jahr verschiedenste Teilbereiche in den Blick genommen werden, ohne dabei das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Das Berliner Musikleben der friderizianischen Zeit, vor und nach dem für Preußen und den König so einschneidenden Siebenjährigen Krieg, wird ebenso von Interesse sein wie die personale Dimension des Orchesters, die Pflicht und Kür der Musiker, das Wirken in der höfischen wie der städtischen Öffentlichkeit, das Zusammenspiel mit den institutionellen Trägern (was angesichts der unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Zielsetzungen der Könige Friedrich Wilhelm I., Friedrich II. und Friedrich Wilhelm II. ein sprichwörtlich »weites Feld« ist) und anderes mehr, wobei natürlich auch Betrachtungen zur rein künstlerischen Entwicklung, zu dem sich weiter hebenden musikalischen Niveau, hinreichend Raum finden sollen. Auch — und gerade — in dieser Hinsicht möge unser Symposion zum Ort für einen lebendigen Austausch werden, für Information und Diskurs.